3 Sozialversicherungsrecht
Die 5 Säulen des Sozialversicherungssystems
Solidarprinzip
Das System funktioniert nach dem Solidarprinzip: Alle Versicherten zahlen den gleichen Prozentsatz ihres Bruttoeinkommens.
Säule 1: Krankenversicherung
Leistungen:
- Lohnersatz bei krankheitsbedingtem Ausfall
- Wiederherstellung der Gesundheit
- Maßnahmen zur gesundheitlichen Prävention
- Erstattung von Behandlungskosten
Finanzierung:
50% AN + 50 % AG
14,6 % vom Bruttoeinkommen + Zusatzbeitrag AN (durchschnittlich 1,6 %)
Säule 2: Arbeitslosenversicherung
Leistungen:
- Grundsicherung durch Arbeitslosengeld
- Unterstützung bei Arbeitsplatzsuche
- nur vorübergehend während Arbeitsplatzsuche aktiv
Finanzierung:
50% AN + 50 % AG
12,6 % vom Bruttoeinkommen
Voraussetzungen:
- Arbeitslos gemeldet
- Anwartschaft erfüllt (in 2 Jahren mind. 12 Monate beschäftigt)
→ 60 % vom Nettoentgelt
→ 67 % bei mind. einem Kind
Sperrzeit (12 Wochen):
- bei eigener Kündigung
- bei verhaltensbedingter Kündigung
- Nichtannahme von Beschäftigung
Anspruchsdauer § 147 SGB III
nach Ablauf → Bürgergeld
Neben Arbeitslosengeld auch
- Kurzarbeitergeld
- Insolvenzgeld
Säule 3: Unfallversicherung
Leistungen:
- springt bei Arbeitsunfall/Berufskrankheit ein
- versucht z.B. durch Reha den Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig zu machen
- Entschädigung für Arbeitnehmer sowie Angehörige bei Arbeitsunfähigkeit
Finanzierung:
100 % AG
1. Arbeitsunfall
1.1 Unfall am Arbeitsplatz, während der Arbeitszeit, auch Schule/Kindergarten
- Versicherungsschutz nur bei bei versicherter Tätigkeit
- Unversicherte Tätigkeiten (= private Tätigkeiten), sind z.B.
- Verbrühen mit Tee in der Teeküche
- Ausrutschen in den Waschräumen
- Verbrühen mit Tee in der Teeküche
1.2 Wegeunfall
Wege sind **nur** versichert, wenn:
+ unmittelbar (muss nicht der kürzeste Weg sein!) oder ortsüblich
+ Betriebswege
+ bei Fahrgemeinschaften
+ Kind in Kiga/Schule bringen
Wege sind nicht versichert, wenn:
- Abwege → Fahrt in entgegengesetzte Richtung - Gutes Beispiel
- Unterbrechung > 2 Stunden
- bei kurzer Unterbrechung generell: Zeitungskiosk (Kaffee/Zeitung holen) ist gedeckt; Supermarkt nicht Gutes Beispiel
Neu: Regelungen zum Homeoffice → gleicher Schutz wie normaler Arbeitsplatz (z.B. Weg in die Küche ist versichert, während Essen nicht)
2. Berufskrankheiten
Säule 4: Rentenversicherung
Leistungen:
- sichert Lebensstandard im Alter durch Rentenzahlung
- Abdeckung des Risikos der verminderten Erwerbsfähigkeit
- umfasst auch Hinterbliebenenrente (Witwen-/Waisenrente)
Finanzierung:
50% AN + 50 % AG
18,6 % vom Bruttoeinkommen
Säule 5: Pflegeversicherung
Leistungen:
- Unterstützung von Pflegeleistungen für dauerhaft pflegebedürftige Personen
- Umfang der Leistungen sind abhängig von der individuellen Pflegebedürftigkeit
Finanzierung:
50% AN + 50 % AG
3,05 % vom Bruttoeinkommen + eventuell Zusatzbeitrag AN (0,35 %)
Aufgaben Übungsband (Stand 2023)
3.1 Grundlagen der Sozialversicherung
Hinweis: ohne Ü85 (Übersicht Sozvers - Säulen + Träger)
Übung 86
Herr Lehmann ist bei der Meyer GmbH zu einem Arbeitsentgelt von 2000 Euro beschäftigt. Zusätzlich arbeitet Herr Lehmann bei der Kühn KG bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden zu einem Arbeitsentgelt von 450 Euro monatlich.
Wie ist die Krankenversicherungspflicht in Bezug auf das Arbeitsverhältnis mit der Kühn KG zu beurteilen?
Lösung
- Meldung geringfügig beschäftigter Beschäftigungsverhältnisse bei der Sozialversicherung (Minijob-Zentrale)
- Keine Zusammenrechnung der gerinfügigen Beschäftigung mit der Hauptbeschäftigung, da das Arbeitsentgelt unter 556 Euro liegt (§8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV)
- Minijob bleibt in den Sozialversicherungen versicherungsfrei
- Arbeitgeber zahlt pauschal Abgaben an die Minijob-Zentrale (höchstens 31,47 % - Stand 1.1.2025)
3.2 Krankenversicherung
Übung 87
a) In der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es verschiedene pflichtversicherte Personengruppen. Wo im Gesetz können Sie dies nachschlagen? Nennen Sie mindestens zwei Personengruppen.
b) Nennen Sie mindestens zwei Personengruppen, die nicht zu den Pflichtversicherten zählen. Wie müssen sich diese gegen die Risiken von Krankheiten versichern?
c) Erläutern Sie, was man in der gesetzlichen Krankenversicherung unter der Beitragsbemessungsgrenze und der Versicherungspflichtgrenze versteht.
Lösung
a) § 5 SGB V: Arbeitnehmer und Angestellte bis zur Versicherungspflichtgrenze; Azubis; Bezieher von ALG I; Bezieher von ALG II
b) Arbeitnehmer über Versicherungsgrenze (private KV oder freiwillig gesetzliche KV); Selbstständige (außer Künstler, Landwirte, Publizisten) (private KV oder freiwillig gesetzliche KV); Beamte (50 % private KV, 50 % Beihilfe)
c) Beitragsbemessungsgrenze = obere Grenze der beitragspflichtigen Einnahmen (Abgabe an der Beitragsbemessungsgrenze ist die maximale Abgabe)
Versicherungsgrenze = Grenze, bei deren Erreichen ein Wechsel von der gesetzlichen Krankenversicherung in die private Krankenversicherung möglich wird (muss ein Jahr lang erreicht werden)
Übung 88
Ein bundesweit agierender Paketdienst hat Teile seiner Transportaufgaben an einen für ihn tätigen Fahrer vergeben. Der Fahrer musste sein Fahrzeug mit dem Schriftzug des Paketdienstes lackieren und muss bei seinen Touren die Imagekleidung des Paketdienstes tragen. Sein Tagesablauf ist vollständig vom Auftraggeber vor- und durchstrukturiert. Der Fahrer hat keinen eigenen Gestaltungsspielraum bei seiner Arbeits- und Tourenplanung. Seine Tätigkeit wird auch regelmäßig vom Paketdienst überwacht.
Die Krankenkasse stufte die Tätigkeit des Fahrers nicht als selbstständige Tätigkeit ein, sondern ging von einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis aus. Daher forderte sie vom Paketdienst 110.000 Euro Krankenversicherungsbeiträge nach.
Der Paketdienst legte dagegen Widerspruch ein und argumentierte, der Fahrer hätte sich seinen Urlaub nicht genehmigen lassen müssen und auch eigene Kunden im System des Paketdienstes bedienen dürfen. Außerdem hätte er die Transporte selbst oder durch Dritte ausführen können. Daher sei der Fahrer kein Arbeitnehmer.
Wie würden Sie in diesem Streitfall entscheiden?
Lösung
Entscheidung Landessozialgericht:
- Fahrer ist abhängig beschäftigt → sozialversicherungspflichtig
- Begründung: zeitliche Beanspruchung und vertragliche Reglementierung machen es dem Fahrer unmöglich unternehmerisch tätig zu sein.
- Ergebnis: Paketdienst muss KV nachzahlen
Übung 89
Arbeitnehmer Pfeil verunglückt bei einer Privatfahrt mit seinem Motorrad, weil ihm der Autofahrer Müller die Vorfahrt genommen hat. Herr Pfeil wird schwer verletzt und ist für drei Monate arbeitsunfähig.
a) Wie ist das Einkommen von Herrn Pfeil während dieser Zeit gesichert?
b) Welcher Sozialversicherungsträger zahlt die folgenden Aufwendungen?
- Erstversorgung am Unfallort
- stationäre Krankenhausbehandlung
- ambulante Nachversorgung
c) Was würde sich in Fall a) ändern, wenn Herr Pfeil erst seit drei Wochen beschäftigt wäre?
Lösung
a) In den ersten 6 Wochen (42 Kalendertage) erhält Herr Pfeil Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber, weil er mehr als vier Wochen beschäftigt ist (§ 3 Abs. 3 EFZG)
Das Motorradfahren bedeutet nicht automatisch, dass die Entgeltfortzahlung entfällt. Herr Pfeil hat sich verkehrsgerecht verhalten
Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bekommt Herr Pfeil Krankengeld von seiner Krankenkasse (§ 44 Abs. 1 und §§ 47, 48 SGB V)
b) Krankenkasse
c)
- Wartezeit nach § 3 Abs. 3 EFZG ist noch nicht erfüllt.
- Arbeitgeber muss zunächst keine Entgeltfortzahlung leisten.
- Krankengeld von der Krankenkasse
- Ergebnis: 1. Woche: Krankengeld; ab 5. Woche: Entgeltfortzahlung für 6 Wochen; danach für fünf Wochen Krankengeld
3.3 Pflegeversicherung
Übung 90
a) Infotext (Lückentext): Die Leistungen der Pflegeversicherung sollen den Pflegebedürftigen helfen, trotz ihrer Hilfsbedürftigkeit ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen (§ 2 SGB XI). Die Hilfe ist darauf auszurichten, die körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte der Pflegebedürftigen wiederzugewinnen oder zu erhalten.
b) Wer ist in der gesetzlichen Pflegeversicherung versichert?
c) Wer ist Träger der Pflegeversicherung?
d) Wenn über die Kosten der Sozialversicherungssysteme debattiert wird, wird regelmäßig argumentiert, die künftige Finanzierung werde wegen der demografischen Entwicklung in Deutschland immer schwieriger. Was ist mit dieser Prognose gemeint?
Lösung
b) Die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 20 SGB XI) und die freiwillig Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung. (Diese können sich auf Antrag befreien lassen, wenn sie nachweisen, dass sie privat im gleichen Umfang versichert sind)
c) Die Pflegekassen der Krankenkassen
d) Die Lebenserwartung der Menschen und damit das Risiko einer Pflegebedürftigkeit steigt seit Jahren. Die Pflege der Betroffenen wird zunehmend weniger in Großfamilien, in der die Generationen füreinander sorgen, geleistet. Dadurch steigen die Kosten, die von immer weniger Beitragszahlern finanziert werden müssen, weil die Geburtenrate sinkt. Diese Entwicklung wird auch mit dem Begriff “demografischer Faktor” umschrieben.
3.4 Rentenversicherung
Übung 91
Versicherte können auf Antrag unterschiedliche Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, wenn der Versicherungsfall eintritt.
a) Nennen Sie mindestens drei verschiedene Rentenarten und mindestens zwei sonstige Leistungen.
b) Wie wird die Rentenversicherung finanziert?
Lösung
a) Rentenarten
- Altersrente für langjährige Versicherte
- Altersrente nach Altersteilzeitarbeit
- Altersrente für Frauen
- Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit
- kleine oder große Witwen- oder Witwerrente
sonstige Leistungen:- Leistungen zur Rehabilitation
- Zahlung von Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
- Übergangsgeld
b) Finanzierung:
- Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer (18,6 %, davon 50 % der AN und 50 % der AG)
- Der nicht über Beiträge finanzierte Teil wird mit Bundeszuschüssen, d.h. Steuergeldern, gedeckt.
Übung 92
Arbeitnehmer Ernst erkrankt schwer und kann seine bisherige Arbeit über eine längere Zeit nicht mehr ausüben. Vom zuständigen Sozialversicherungsträger wird ihm eine Rehamaßnahme bewilligt.
a) Welcher Sozialversicherungsträger hat die die Rehamaßnahme bewilligt?
b) Ändert sich die Zuständigkeit des Sozialversicherungsträgers, wenn es sich um einen Arbeitsunfall handelt?
c) Könnte Herr Ernst statt der Rehamaßnahme eine Rente (z.B. Berufsunfähigkeitsrente) erhalten?
Lösung
a) Zuständig ist hier die gesetzliche Rentenversicherung. Es handelt sich um eine Rehamaßnahme, die der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit dient und nicht wegen eines Arbeitsunfalls erforderlich war.
b) Ja, die gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft) zahlt die Rehaleistungen, weil diese ursächlich nach einem Arbeitsunfall notwendig waren
c) Nein, weil der Grundsatz gilt: “Reha vor Rente”
3.5 Arbeitslosenversicherung
Übung 93
Bei der Power AG ist seit fünf Jahren der Mitarbeiter Dreher beschäftigt. Aufgrund der Verlagerung des Betriebsteils, in dem Herr Dreher beschäftigt ist, fällt sein Arbeitsplatz weg und es besteht auch keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit. Deshalb kündigt ihm die Power AG fristgerecht am 20.10. zum Jahresende aus betriebsbedingten Gründen.
a) Wann muss sich Herr Dreher arbeitslos melden?
b) Welche Rechtsfolge tritt ein, wenn die Arbeitslosmeldung nicht rechtzeitig erfolgt?
c) Welche Pflichten haben Arbeitslose während ihrer Arbeitslosigkeit?
d) Wer zahlt während der Arbeitslosigkeit die Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung?
Lösung
a) § 38 Abs. 1 Satz 2 SGB III: persönlich, innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts, bei der Agentur für Arbeit
b) Sperre von einer Woche für den Bezug von ALG I (§ 159 Abs. 6 SGB III)
c) Der Arbeitslose muss sich ernsthaft um eine neue Beschäftigung bemühen, den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen und alle zumutbaren Beschäftigungen annehmen.
d) Während ALG I, ALG II, Übergangsgeld: Agentur für Arbeit;
Besonderheit bei UV: ein Schutz der gesetzlichen UV besteht bei Befolgung der gesetzlichen Meldepflicht sowie bei Teilnahme an Bildungsmaßnahmen, die die Bundesagentur selbst veranstaltet oder bei denen sie Rehabilitationsträger ist.
Übung 94
Die Power AG beabsichtigt, wegen der Betriebsverlagerung auch das Arbeitsverhältnis mit dem Mitarbeiter Siegbart zu beenden. Die Power AG könnte wegen der Umstrukturierung unstreitig eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen. Stattdessen beendet sie das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist einvernehmlich durch einen Aufhebungsvertrag. Herr Siegbart erhält aus dem Aufhebungsvertrag eine Abfindung, die geringer ist als 0,5 Bruttomonatsgehälter je Beschäftigungsjahr.
Die Agentur für Arbeit verhängt daraufhin eine Sperrzeit, weil Herr Siegbart durch die Unterzeichung des Aufhebungsvertrags am Eintritt des Versicherungsfalls (Arbeitslosigkeit) mitgewirkt habe. Dagegen klagt Herr Siegbart.
Wird Herr Siegbart mit seiner Klage Erfolg haben? Begründen Sie ihre Antwort.
Lösung
- Agentur für Arbeit kann eine Sperrzeit verhängen, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten würde und hierfür kein wichtiger Grund besteht.
- Dies wäre der Fall, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig an der Herbeiführung des Versicherungsfalls (Arbeitslosigkeit) mitwirken würde
- Herr Siegbart hat zwar den Aufhebungsvertrag unterschrieben aber er hatte dafür einen wichtigen Grund.
- Wenn dem Arbeitnehmer im Aufhebungsvertrag eine Abfindung angeboten wird, die er bei einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung nicht erhalten würde, ist das Abwarten der arbeitgeberseitigen Kündigung unzumutbar
- Bundessozialgericht: Urteil vom 17.11.2005
Ergebnis: Die Verhängung der Sperrzeit ist hier unzulässig
3.6 Arbeitsförderung
Die Arbeitsförderung gehört systematisch in den Bereich der Arbeitslosenversicherung und soll dazu beitragen, dass ein hoher Beschäftigungsstand erreicht und die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert wird. Die Arbeitsförderung soll dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenwirken, die Dauer der Arbeitslosigkeit verkürzen und den Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterstützen. Dabei ist insbesondere durch die Verbesserung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden.
Übung 95
Nennen Sie mindestens vier Maßnahmen, die eingesetzt werden, um die Ziele der Arbeitsförderung zu erreichen.
Lösung
nach §§ 29 ff. SGB III, z.B.:
- Beratung und Vermittlung
- Arbeitsmarktberatung für Arbeitgeber
- Maßnahmen der Eignungsfeststellung, Trainingsmaßnahmen
- Berufsausbildungsbeihilfen, Übernahme von Weiterbildungskosten
- besondere Leistungen für Behinderte
- Kurzarbeitergeld
3.7 Unfallversicherung
Übung 96
a) Infotext: Die gesetzliche UV hat die Aufgabe, vorrangig mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten (Präventionsfunktion). Nach Eintritt eines Versicherungsfalls sind zunächst die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit des Versicherten wiederherzustellen (Rehabilitationsfunktion). Als weitere Aufgabe kommt die Entschädigung der Verletzten oder ihrer Hinterbliebenen durch Geldleistungen (Entschädigungsfunktion) dazu.
b) Wer ist der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und wie wird diese finanziert?
c) Nennen Sie das wichtigste Mittel, mit dem Arbeitsunfälle vermieden werden sollen.
Lösung
b) Gewerbliche Berufsgenossenschaften (BG), landwirtschafliche Berufsgenossenschaft und Unfallversicherungsträger des Bundes, der Länder und Gemeinden.
Der Arbeitgeber trägt die Beiträge alleine (§§ 150 ff. SGB VII). Es gilt das Umlageverfahren der nachträglichen Bedarfsdeckung (= die Einnahmen aus der Umlage müssen die Ausgaben des abgelaufenen Kalenderjahres decken)
c) Die Berufsgenossenschaften erlassen Unfallverhütungsvorschriften (UVV)
Übung 97
Bei der Prolog GmbH arbeitet Arbeitnehmer Schulze in der Stanzerei. Damit er die Stanzmaschine schneller bedienen kann, überbrückt er einen Sicherheitsschalter, der dafür sorgen soll, dass die Stanze nur auslösen kann, wenn der rechte und linke Sicherheitsschalter mit beiden Händen gleichzeitig gedrückt werden. Die Manipulation erlaubt nun das Ingangsetzen der Maschine mit einer Hand. Aus Unachtsamkeit drückt Herr Schulz mit der rechten Hand den Schalter, obwohl er die andere Hand noch nicht völlig aus dem Gefahrenbereich genommen hat. Dabei kommt es zu einer schweren Verletzung an der linken Hand.
Liegt ein Arbeitsunfall vor? Begründen Sie Ihre Antwort.
Lösung
- Nach § 7 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten
- Die Verletzung muss in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen.
- Dass der Unfall durch ein verbotswidriges Verhalten verursacht worden ist (Manipulation der Sicherheitsvorrichtungen), schließt einen Versicherungsfall nicht aus
- Ergebnis: Es liegt ein Arbeitsunfall vor und die Berufsgenossenschaft muss zunächst die Kosten übernehmen. Später könnte Herr Schulze von der Berufsgenossenschaft in Regress genommen werden
Übung 98
In der gesetzlichen Unfallversicherung sind in § 7 SGB VII Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle als Versicherungsfälle genannt.
Beurteilen Sie in den folgenden Fällen, ob ein Versicherungsfall (Arbeitsunfall) vorliegt.
a) Arbeitnehmer Anton fährt wie die meisten seiner Kollegen statt über die ständig verstopfte Landstraße über die Autobahn zur Arbeitsstätte, weil der dadurch viel schneller am Ziel ist. Der Weg über die Autobahn ist aber 5 km länger. Eines Morgens wird er auf der Autobahn schuldlos in einen Unfall verwickelt und leicht verletzt.b) Die Kollegin des Herrn Anton, Frau Berta, bringt ihre beiden Kleinkinder vor Arbeitsbeginn in eine Kindertagesstätte. Dazu muss sie einen Umweg zur Kita in der nächsten Gemeinde in Kauf nehmen. Auf dem Weg zwischen der Kita und ihrem Arbeitsplatz fährt sie zu schnell und kommt deshalb von der Straße ab und prallt gegen einen Baum.
c) Herr Bert unterbricht den Heimweg von der Arbeitsstätte, um seinen auf dem Weg wohnenden Vater zu besuchen. Erst nach drei Stunden setzt er seinen Heimweg fort und wird in einen Unfall verwickelt.
d) Herr Zabel bildet zusammen mit vier weiteren Kollegen eine Fahrgemeinschaft. Um sie am Sammelparkplatz abzuholen, muss er einen Umweg in Kauf nehmen. Auf dem Weg zum Sammelparkplatz verursacht er einen Verkehrsunfall.
e) Arbeitnehmer Adam fährt mit seinem Roller zu seiner Arbeitsstätte. Bereits am Tag vorher wollte er auf dem Heimweg von der Arbeit tanken, hatte es dann aber vergessen. Deshalb fährt er nun auf dem Weg zur Arbeit zu einer Tankstelle, die in Fahrtrichtung links neben der Straße liegt, um seinen Roller zu betanken. Beim Ausfahren aus der Tankstelle muss Herr Adam die Straße über die Gegenfahrbahn überqueren, um seinen Weg zum Arbeitsplatz fortzusetzen. Dabei stößt er mit einem Auto zusammen, das die Straße in der entgegengesetzten Richtung befuhr. Herr Adam wird erheblich verletzt.
Lösung
a) Ja, nach § 8 Abs. 2 SGB VII, weil auch ein ortsüblicher Weg bei erheblicher Zeitersparnis versichert ist.
b) Ja, nach § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII: Frau Berta hat wegen ihrer Berufstätigkeit ihre Kinder in fremde Obhut (Kita) gebracht. Um die Kinder in die Kita zu bringen, war ein Umweg erforderlich. Die überhöhte Geschwindigkeit schließt den Wegeunfall nicht aus (§ 7 Abs. 2 SGB VII)
c) Nein, weil der versicherte Weg nicht länger als zwei Stunden unterbrochen werden darf. Sind zwei Stunden überschritten, ist davon auszugehen, das sich der Versicherte vom Weg gelöst hat.
d) Ja, nach § 8 Abs. 2 Nr. 2b SGB VII. Ein Umweg zur Bildung einer Fahrgemeinschaft ist versichert.
e) Ja.
- Wenn ein Arbeitnehmer mit seinem Fahrzeug vom Weg zur Arbeit abbiegt, um zu tanken, steht er bei diesem “Abweg” und dem Tanken zwar nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, weil es sich dabei um eine “rein privatwirschaftliche Tätigkeit” handelt.
- Der Schutz der Unfallversicherung setzt aber dann wieder ein, wenn er den öffentlichen Straßenbereich wieder erreicht hat.
- Es ist hierbei nicht erforderlich, dass der Versicherte bereits wieder den rechten Fahrstreifen erreicht hat, denn der Versicherungsschutz auf Wegen, um zur Arbeit zu gelangen, ist nicht davon abhängig, auf welcher Fahrspur sich der Versicherte befindet. Es reicht aus, dass er auf der Straße in Richtung seiner Arbeitsstelle unterwegs war
- Bundessozialgericht: Urteil vom 04.07.2013