1.3 Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis
Arbeitnehmer
Hauptpflicht: Arbeitspflicht Inhalt Arbeitspflicht ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag und dem Direktionsrecht des Arbeitgebers
Nebenpflichten = Treuepflichten
- Unterlassungspflichten: Wettbewerbsverbot, Verschwiegenheitspflicht,…
- Handlungspflichten: Schäden/Störungen mitteilen, sorgfältiger Umgang mit Arbeitsmaterial, Pflicht zu Noteinsätzen/Überstunden
Rechte
- Anspruch auf Beschäftigung
- Anspruch auf Vergütung
- Anspruch auf Urlaub
- Anspruch auf Entgeltfortzahlung (z.B. im Krankheitsfall)
- Informations- und Auskunftsrechte
Anmerkungen:
- Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf Überstundenvergütung (Regelungen oftmals in Tarifverträgen/Betriebsvereinbarungen)
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Voraussetzungen
- Erfüllung der 4-wöchigen Wartefrist § 3 EntgFG
- Kein grobes Verschulden der Krankheit durch den Arbeitnehmer (d.h. kein grobes Abweichen von der Verhaltensweise, die ein vernünftiger Arbeitnehmer in seinem eigenen Interesse einhält)
- Unverzügliches Anzeigen der Arbeitsunfähigkeit, sowie Krankmeldung § 5 EntgFG, Nachweispflicht spätestens ab dem 4. Tag
- Kein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers § 7 EntgFG
Anmerkung zu 2.: Selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit liegt z.B. vor bei:
- Verkehrsunfall in Folge von Trunkenheit
- grob fahrlässiges Verhalten im Straßenverkehr
- grob fahrlässige Verstöße gegen Unfallverhütungsvorschriften
- Verletzung bei einer besonders gefährlichen Nebentätigkeit
- Nebentätigkeiten die die Kräfte des Arbeitnehmers übersteigen
- selbst provozierte Rauferei/Schlägerei
- Nichttragen eines Sicherheitsgurtes
- Wenden auf der Autobahn
- Sport, der die Kräfte und Fähigkeiten des Arbeitnehmers deutlich übersteigt
- besonders gefährliche Sportarten (nur wenn die Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten werden)
Ablauf
- 6-wöchige (= 42 Kalendertage) Entgeltfortzahlung Arbeitgeber
- Anschließend Krankengeld (Krankenkasse, 70 % des Regelentgelts) ODER
- Verletzengeld (Berufsgenossenschaft, 80 % des Regelentgelts)
Wiederholte Arbeitsunfähigkeit
- Jede neue, dh andere Krankheit: neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung von 6 Wochen.
- Dieselbe Krankheit, mehrfache Krankschreibungen: Entgeltfortzahlung nur für insgesamt 6 Wochen (42 Kalendertage)
- Ausnahme 1: zwischen Ende von Krankheit A und erneuerter Beginn von Krankheit A liegen mindestens 6 Monate: dann erneuter Anspruch auf 6 Wochen Entgeltfortzahlung § 3 EntgFG
- Ausnahme 2: Seit Beginn der Krankheit A sind 12 Monate vergangen (mit weiteren Krankheitsausfällen aufgrund Krankheit A in den 12 Monaten): dann erneuter Anspruch auf Entgeltfortzahlung § 3 EntgFG
Übungsaufgabe Entgeltfortzahlung Ausnahme 1
entnommen aus: Rechtsbewusstes Handeln, Dickemann-Weber, S. 77
Michael Müller, ein Mitarbeiter der X-GmbH, war aufgrund eines Sturzes von seinem Fahrrad bei seinem abendlichen Freizeitsport vom 2.5.2022 bis 3.7.2022 arbeitsunfähig. Aufgrund der Spätfolgen des Sturzes war er ab dem 18.1.2023 wieder für 4 Wochen arbeitsunfähig.
Erläutern Sie unter Angabe der Paragrafen, wer und in welcher Höhe für das Einkommen des Herrn Müller in der Zeit seiner Erkrankung aufkommt.
Tipp: Zeitstrahl zeichnen!
Lösung
Herr Müller erhält ab dem 2.5.2022 für die ersten sechs Wochen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von seinem Arbeitgeber in Höhe von 100 % des Arbeitentgelts, §§ 3 und 4 EntgFG.
Danach erhält er bis zum 3.7.2022 Krankengeld von der Krankenkasse in Höhe von 70 % des Regelentgelts, § 47 Abs. 1 SGB V
Ab dem 18.1.2023 erhält Herr Müller wiederum Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von seinem Arbeitgeber in Höhe von 100 % des Arbeitsentgelts, da er vor Beginn der erneuten Arbeitsunfähigkeit sechs Monate nicht infolge derselben Erkrankung arbeitsunfähig war. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1EntgFG
Übungsaufgabe Entgeltfortzahlung Ausnahme 2
entnommen aus: Rechtsbewusstes Handeln, Dickemann-Weber, S. 78
An folgenden Zeiträumen ist Herr Müller, ein Mitarbeiter der X-GmbH, wegen Krankheit A arbeitsunfähig geschrieben:
- 4.1.2021 - 31.01.2021 (28 Kalendertage)
- 25.6.2021 - 24.07.2021 (30 Kalendertage)
- 17.12.2021 - 11.01.2022 (26 Kalendertage)
- 9.6.2022 - 17.7.2022 (39 Kalendertage)
Für welche Zeiträume hat die X-GmbH Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten?
Lösung
Für den Zeitraum 4.1.2021 - 31.01.2021 sind die vollen 28 Tage Entgeltfortzahlung zu leisten.
Für den Zeitraum 25.6.2021 - 24.07.2021 sind von den 30 Tagen Arbeitsunfähigkeit nur noch 14 Tage vom Arbeitgeber zu zahlen, da für jede Krankheit 6 Wochen Entgeltfortzahlung zu leisten sind (28 Tage + 14 Tage = 42 Tage)
Für den Zeitraum 17.12.2021 - 11.01.2022 gibt es keine Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber, da zum einen kein krankheitsfreier Zeitraum von sechs Monaten zwischen den beiden Erkrankungen vorliegt, und zum anderen die Krankheit nach 12 Monaten wieder neu beginnen muss; dies liegt hier auch nicht vor.
Für den Zeitraum 9.6.2022 - 17.7.2022 besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber auf die vollen 39 Tage, da seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit am 4.1.2021 infolge der derselben Krankheit eine Frist von 12 Monaten abgelaufen ist.
Entgeltfortzahlung - Videos
Video: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - einfach erklärt für die IHK-Prüfung
Video: Entgeltfortzahlung bei Krankheit
Entgeltfortzahlung in sonstigen Fällen
- Entgeltfortzahlung bei Krankheit des Kindes § 616 BGB ABER: § 616 BGB wird in der Regel durch Tarifvertrag/Arbeitsvertrag ausgeschlossen, dann…
- Anspruch auf Krankengeld (Krankenkasse) bei Krankheit des Kindes § 45 SGB V: Voraussetzungen: Kind ist noch keine 12 Jahre alt und § 616 BGB ist ausgeschlossen.
- Entgeltfortzahlung an Feiertagen
- Entgeltfortzahlung bei Bildungsurlaub (anerkannte fachliche/allgemeine Weiterbildungsmaßnahmen)
Arbeitgeber
Hauptpflicht: Lohnzahlungspflicht
Grundsatz im Arbeitsrecht: Ohne Arbeit kein Lohn
Sonderregeln: Lohn ohne Arbeit, in folgenden Fällen:
- Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
- Entgeltfortzahlung bei Krankheit des Kindes
- Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers aus persönlichen Gründen § 616 BGB, wird in der Regel durch Tarifvertrag/Arbeitsvertrag ausgeschlossen.
- Entgeltfortzahlung an Feiertagen
- Entgeltfortzahlung bei Bildungsurlaub
- Entgeltfortzahlung bei Erholungsurlaub
- Entgeltfortzahlung bei Annahmeverzug § 615 BGB (Arbeitgeber weist keine Arbeit zu, stellt kein Material, stellt keinen funktionierenden Arbeitsplatz, lässt Arbeitnehmer nicht arbeiten,…) - Hauptfall: bei Kündigung
- Entgeltfortzahlung bei Betriebsrisiko (= vom Arbeitgeber zu vertretende Unmöglichkeit der Arbeitsleistung, z.B. Stromausfall, Ausfall von Rohstoffen, defekte Maschinen, aber auch Brand, Überschwemmungen usw.)
Wichtig bei Annahmeverzug und Betriebsrisiko: Auf Lohnanspruch wird angerechnet, was
- der Arbeitnehmer durch den Wegfall der Arbeitsleistung spart
- er sich durch anderweitige Arbeit erwirbt
- er zu erwerben böswillig unterlässt (keine Annahme von zumutbarer Ersatzarbeit)
Nebenpflichten des Arbeitgebers
- Beschäftigungspflicht
- Fürsorgepflicht: Schutzpflichten (Schutz vor Gesundheitsgefährdung, sexuelle Belästigung,…); Sorgfaltspflicht (richtige Lohnabrechnung,…), Auskunftspflichten (richtige Zeugniserstellung,…)
- Gleichbehandlungspflicht
Pflichten nach dem AGG
- Keine Schlechterstellung (Diskriminierung) von Beschäftigten und Bewerbern aufgrund Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion/Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Identität § 7 AGG
- Ungleichbehandlung zulässig wenn ein sachlicher Grund vorliegt (z.B. Frau als Nachtschwester im Mädchenwohnheim) § 8-10 AGG - wichtig: objektive Feststellung ist notwendig, Einschätzung des Arbeitgebers ist nicht ausschlaggebend
- Keine Diskriminierung, wenn Bewerber/Arbeitnehmer nicht zum Anforderungsprofil passt.
- Diskriminierungsfreie Ausschreibung von Arbeitsplätzen
- Vorbeugende Maßnahmen sind verpflichtend
- Auf Aus- und Fortbildungen soll auf die Unzulässigkeit von Diskriminierung hingewiesen werden
- Bei Diskriminierung im Betrieb: Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung § 12 AGG
- Mitarbeiter müssen auch vor Diskriminierung von Dritten geschützt werden
Rechte bei Diskriminierung
- Beschwerderecht § 13 AGG
- Leistungsverweigerungsrecht § 14 AGG
- Unterlassungsklage § 1004 BGB
- Entschädigung und Schadensersatz § 15 AGG
Vorgehen bei Absage
- Ansprüche auf Schadensersatz innerhalb von 2 Monaten nach Zugang der Ablehnung/Diskriminierung
- 3-Monate-Frist zur Klageerhebung
- Der Bewerber muss dem Gericht Indizien (Vermutungstatsachen) vorbringen - keine Beweispflicht, Gericht muss Indizien nur für überwiegend wahrscheinlich halten!
- Arbeitgeber trägt die Beweislast, dass keine Diskriminierung vorlag, sondern andere sachliche Gründe die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen
- Stellungnahme des Arbeitgebers ist verpflichtend! Unterlassene Stellungnahme = zugestande Diskriminierung