5. Betriebliche Mitbestimmung
Merke:
Der Betriebsrat ist ein Zusammenschluss von Arbeitnehmern, der die Interessen der Arbeitnehmer in einem Betrieb gegenüber dem Arbeitgeber vertritt.
Video: Betriebsrat: Was ist das? Aufgaben, Rechte und Pflichten; Quelle: BetriebsratVideo - W.A.F. Institut für Betriebsräte-Fortbildung
Betriebsverfassungsgesetz
§ 1 BetrVG: Errichtung von Betriebsräten
§ 7 BetrVG: Wahlberechtigung
§ 8 BetrVG: Wählbarkeit
§ 9 BetrVG: Zahl der Betriebsratsmitglieder
§ 21 BetrVG: Amtszeit
Aufgaben
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit in einem Betrieb ein Betriebsrat gewählt werden kann?
Wer kann zum Betriebsrat gewählt werden?
Die Großbäckerei Zwerg hat 75 Arbeitnehmer. Wie viele Betriebsratsmitglieder hat der Betrieb?
Antonio Rigato hat die italienische Staatsangehörigkeit. Ist er wahlberechtigt bei den Betriebsratswahlen?
Lösungen
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit in einem Betrieb ein Betriebsrat gewählt werden kann? In dem Betrieb müssen mindestens 5 Arbeitnehmer beschäftigt sein, die mindestens 18 Jahre alt sind.
Wer kann zum Betriebsrat gewählt werden? Jeder Arbeitnehmer, der mindestens 6 Monate dem Betrieb angehört und mindestens 18 Jahre alt ist. Die Amtszeit beträgt 4 Jahre. Wählen darf jeder Arbeitnehmer (ab 16 Jahre).
Die Großbäckerei Zwerg hat 75 Arbeitnehmer. Wie viele Betriebsratsmitglieder hat der Betrieb? Der Betriebsrat besteht aus 5 Mitgliedern.
Antonio Rigato hat die italienische Staatsangehörigkeit. Ist er wahlberechtigt bei den Betriebsratswahlen? Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer, auch ausländische.
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
| sozialer Bereich | personeller Bereich | wirtschaftlicher Bereich |
|---|---|---|
| Mitbestimmungsrecht | Eingeschränktes Mitbestimmungsrecht | Mitwirkungsrecht (Unterrichtung) |
| Der Betriebsrat hat ein echtes Mitbestimmungsrecht, d.h. ohne seine Zustimmung können die Maßnahmen nicht beschlossen werden. | Der Betriebsrat kann seine Zustimmung verweigern, wenn er schwerwiegende Gründe hat. Die letzte Entscheidung trifft dann das Arbeitsgericht. | Der Betriebsrat muss über anstehende Maßnahmen informiert werden. Er hat ein Beratungsrecht. Verweigert er die Zustimmung zu den geplanten Maßnahmen, bleibt dies ohne Wirkung. |
| Beispiel: * Arbeitszeit (Beginn, Ende) * Betriebsordnung * Unfallverhütung * Sozialeinrichtungen | Beispiele: * Einstellung * Versetzung * Kündigung * Umgruppierung | Beispiele: * Absatz * Produkte * Investitionen * Produktionsverfahren |
Fall:
In der Großbäckerei Zwerg soll ein Mitarbeiter entlassen werden. Ohne den Betriebsrat zu informieren, kündigt die Geschäftsleitung dem betroffenen Arbeitnehmer fristgerecht. Überprüfen Sie anhand des § 102 BetrVG:
Ist die Kündigung wirksam?
Welche Mitwirkungsrechte hat der Betriebsrat bei einer Kündigung?
Lösung:
- Der Betriebsrat muss vor jeder Kündigung angehört werden, andernfalls ist sie unwirksam.
- Der Betriebsrat kann einer Kündigung widersprechen, wenn
- soziale Gesichtspunkte unberücksichtigt blieben,
- der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann,
- der Arbeitnehmer unter geänderten Vertragsbedingungen weiterbeschäftigt werden kann.
Betriebsversammlungen
Video: Betriebsversammlung: Diese Fakten sollte jeder Betriebsrat kennen; Quelle: BetriebsratVideo - W.A.F. Institut für Betriebsräte-Fortbildung
Der Betriebsrat lädt alle Arbeitnehmer des Betriebs und den Arbeitgeber, einmal im Kalendervierteljahr (als viermal im Jahr), zu einer Betriebsversammlung ein.
Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV)
Video: Was ist eine JAV? Einfach erklärt!; Quelle: BetriebsratVideo - W.A.F. Institut für Betriebsräte-Fortbildung
- Eine JAV kann gewählt werden, wenn mindestens 5 Jugendliche oder Auszubildende beschäftigt werden.
- Wählbar sind alle Arbeitnehmer des Betriebes, die noch keien 25 Jahre alt sind.
- Die Amtszeit der JAV beträgt 2 Jahre.
- Die JAV verhandelt nicht direkt mit dem Arbeitgeber. Sie muss ihre Interessen über den Betriebsrat durchsetzen.
- Die Hauptaufgabe der JAV ist es die oft besonderen Belange der Jugendlichen zu vertreten.
Wirtschaftsausschuss
Video: Wirtschaftsausschuss - einfach erklärt; Quelle: ifb
- Berät den Unternehmer in wirtschaftlichen Angelegenheiten.
- Unterrichtet den Betriebsrat und die Belegschaft (Arbeitnehmer).
Aufgaben, Buch S. 48/49, Kapitel: Betriebliche Mitbestimmung
Folgende Gesetzestexte helfen bei der Beantwortung der Aufgaben: § 1 BetrVG: Errichtung von Betriebsräten
§ 7 BetrVG: Wahlberechtigung
§ 8 BetrVG: Wählbarkeit
§ 87 BetrVG: Mitbestimmungsrechte
§ 95 BetrVG: Auswahlkriterien
§ 102 BetrVG: Mitbestimmung bei KündigungAufgabe 1
a) Wovon hängt die Zahl der Betriebsratsmitglieder eines Betriebs ab?
b) Welche Voraussetzungen muss ein Arbeitnehmer erfüllen, damit er bei Betriebsratswahlen kandidieren kann?
c) Unter welchen Voraussetzungen ist ein Arbeitnehmer wahlberechtigt bei Betriebsratswahlen?
d) Nennen Sie drei allgemeine Aufgaben des Betriebsrats.Aufgabe 2
Erläutern Sie die Aufgabe einer Betriebsversammlung und des Wirtschaftsausschusses.Aufgabe 3
In welchen betrieblichen Bereichen hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, in welchen hat er ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht und in welchen hat er ein Mitwirkungsrecht?Aufgabe 4
a) Welche Gründe sprechen für ein gesonderte Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV)?
b) Welche Hauptaufgabe hat die JAV?
c) Ein Betrieb hat 250 jugendliche Arbeitnehmer und Auszubildende. Wie viele JAV-Mitglieder dürfen gewählt werden?Aufgabe 5
Erklären Sie die folgende betriebliche Situation in Hinsicht auf die Mitbestimmungsrechte.
a) Einige Mitarbeiter sollen in ein Zweigwerk versetzt werden.
b) Die Geschäftsleitung verlegt den täglichen Arbeitsbeginn eine Stunde vor.
c) Die monatliche Lohnzahlung soll auf Anweisung der Geschäftsleitung jeweils 10 Tage später erfolgen.
d) Eine neu zu besetzende Arbeitsstelle wird nicht im Betrieb ausgeschrieben.
e) Betriebsrat und Geschäftsleitung einigen sich nicht über die Verwaltung der Betriebskantine.
f) Der Arbeitgeber hat bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt.Aufgabe 6 Die Gewerkschaften fordern eine Ausweitung der Mitbestimmung. Tragen Sie mögliche Argumente für und gegen eine Ausweitung der Mitbestimmung zusammen.
Lösungen Aufgaben Betriebsrat
Aufgabe 1
a) Sie hängt von der Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer ab. Nach § 1 BetrVG müssen mindestens fünf Arbeitnehmer beschäftigt sein.
b) Er muss mindestens 18 Jahre alt sein und dem Betrieb mindestens sechs Monate angehören (§ 8 BetrVG)
c) Wahlberechtigt ist jeder Arbeitnehmer, der 16 Jahre alt ist (§ 7 BetrVG)
d) Allgemeine Aufgaben des Betriebsrats:
- Er beantragt beim Arbeitgeber Maßnahmen, die Betrieb und Arbeitnehmern dienen.
- Er bereitet die Wahl der JAV vor
- Er arbeitet mit der JAV zusammen
- Er achtet auf die Einhaltung von Tarifverträgen, Arbeitsschutzgesetzen, Unfallverhütungsvorschriften, Betriebsvereinbarungen usw.
- Er bringt Anregungen von Arbeitnehmern und JAV beim Arbeitgeber vor
Aufgabe 2
Die Betriebsversammlung dient der Unterrichtung der Belegschaft. Diese kann dem Betriebsrat Anträge unterbreiten und zu seinen Beschlüssen Stellung nehmen.
Der Wirtschaftsausschuss soll den Unternehmer in wirtschaftlichen Angelegenheiten beraten und den Betriebsrat und die Belegschaft unterrichten.Aufgabe 3
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats:
- sozialer Bereich: Mitbestimmungsrecht
- personeller Bereich: eingeschränktes
Mitbestimmungsrecht- wirtschaftlicher Bereich: Mitwirkungsrecht
Aufgabe 4
a) Jugendliche Arbeitnehmer befinden sich noch in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung. Sie haben - ebenso wie die Auszubildenden - vielfach andere Probleme als ihre erwachsenen Kollegen.
b) Die Hauptaufgabe der JAV ist die Vertretung der besonderen Belange der jugendlichen Arbeitnehmer.
c) Es können sieben JAV-Mitglieder gewählt werden.
d) Da die JAV mit dem Arbeitgeber nicht direkt verhandeln kann, muss sie ihre Interessen über den Betriebsrat durchsetzen. Deshalb kann ein JAV-Vertreter an jeder Betriebsratssitzung teilnehmen. Stehen Jugend- und Auszubildendenprobleme auf der Tagesordnung, haben alle JAV-Vertreter ein Teilnahme- und Stimmrecht.Aufgabe 5
a) Die Versetzung eines Mitarbeiters ist eine personelle Maßnahme. Der Betriebsrat hat deshalb nur ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht. Er kann seine Zustimmung nur verweigern, wenn er schwerwiegende Gründe anführen kann.
b) Die Veränderung der Arbeitszeit ist eine soziale Angelegenheit, d.h. der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht (§ 87 BetrVG). Ohne seine Zustimmung ist diese Maßnahme nicht möglich.
c) Die gesetzlichen Vorschriften über die Lohnzahlung sind bei fast allen Arbeitnehmern zusätzlich durch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Einzelarbeitsverträge festgelegt. Eine Abweichung von diesen Vereinbarungen ist daher nur mit Zustimmung der jeweiligen Vertragspartner (Gewerkschaften bzw. Betriebsräte bzw. Arbeitnehmer) möglich. Außerdem gehören die Entlohnungsgrundsätze zum sozialen Bereich (§ 87 BetrVG), für den der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat, d.h., ohne seine Zustimmung wäre diese Maßnahme ebenfalls nicht möglich. FAZIT: Eine spätere Lohnzahlung wird in der Regel nicht zulässig sein.
d) Die Einstellung von Mitarbeitern ist eine personelle Angelegenheit, der Betriebsrat hat hier ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht. Allerdings kann er nach dem Betriebsverfassungsgesetz verlangen, dass frei werdende Stellen betriebsintern ausgeschrieben werden.
e) Die Verwaltung betrieblicher Sozialeinrichtungen gehört zum sozialen Bereich (§ 87 BetrVG). Hier hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, d.h., ohne seine Zustimmung sind Maßnahmen nicht möglich.
f) Die Kündigung ist nach dem Kündigungsschutzgesetz unzulässig. Außerdem muss der Betriebsrat vorher angehört werden. Ohne diese Anhörung ist die Kündigung unwirksam. Da soziale Gesichtspunkte unberücksichtigt blieben, wird der Betriebsrat dieser Kündigung widersprechen und der Arbeitnehmer wird beim Arbeitsgericht Klage einreichen. Die Folge: Der Arbeitnehmer muss so lange weiterbeschäftigt werden, bis das Arbeitsgericht entschieden hat.Aufgabe 6
Mögliche Argumente für eine Ausweitung der Mitbestimmung:
- Sorge um die Sicherheit der Arbeitsplätze
- Demokratie kann nicht vor Fabriktoren haltmachen
- Gleichberechtigung von Arbeit und Kapital
- soziale Kontrolle von Unternehmensentscheidungen
- berechtigte Interessen der Arbeitnehmer an der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens
Mögliche Argumente gegen eine Ausweitung der Mitbestimmung:
- Verlust der unternehmerischen Initiative
- Einfluss von betriebsfremden Personen
- zu großer Machtzuwachs der Gewerkschaften
- Einschränkung des Eigentumsrechts
- Notwendige schnelle unternehmerische Entscheidungen können behindert werden
Betriebsvereinbarungen
- betreffen den einzelnen Betrieb
- werden zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber abgeschlossen
- Arbeitgeber, Betriebsrat und alle Betriebsangehörigen müssen sich daran halten
Video: Was ist eine Betriebsvereinbarung? Quelle: brbildung.de
- Betriebsvereinbarungen müssen schriftlich abgefasst und im Betrieb ausgehängt werden.
- Betriebsvereinbarungen dürfen die geltenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen nur verbessern nicht jedoch verschlechtern.
- Betriebsvereinbarungen regeln z.B. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Unfallverhütungsvorschriften, Urlaubspläne, betriebliche Sozialeinrichtungen.
Aufgaben Buch S. 52
Aufgabe 2
Ein Arbeitnehmer erhält laut Arbeitsvertrag 26 Werktage Jahresurlaub. Das Bundesurlaubsgesetz jedoch sieht nur 24 Werktage vor. Im entsprechenden Tarifvertrag ist von 25 Tagen die Rede. Außerdem liegt eine Betriebsvereinbarung vor, die 27 Tage Jahresurlaub vorsieht. Wie viele Urlaubstage kann der Arbeitnehmer wirklich beanspruchen?Aufgabe 3
Die Massivmöbel GmbH ist in ernsthafte Absatzschwierigkeiten geraten. Der Geschäftsführer verlangt deshalb von den Beschäftigten, dass sie auf das laut Betriebsvereinbarung zusätzlich gewährte Urlaubsgeld verzichten. Um Probleme von vornherein auszuschließen, verzichtet er bei dieser Entscheidung auf die Zustimmung des Betriebsrats. Wie beurteilen Sie die Rechtslage?
Lösung:
Aufgabe 2 Es gilt die für den Arbeitnehmer beste Regelung (Grundsatz der Unabdingbarkeit). In diesem Fall: 27 Werktage
Aufgabe 3 Die Entscheidung ist unzulässig. Nach § 77 (4) BetrVG kann auf Rechte, die den Arbeitnehmern in einer Betriebsvereinbarung eingeräumt werden, nur mit Zustimmung des Betriebsrats verzichtet werden.
FALL:
Wegen schlechter Auftragslage streicht ein Arbeitgeber einseitig seinen Beschäftigten das in der Betriebsvereinbarung zusätzlich gewährte Urlaubsgeld. Ist dies zulässig? § 77 BetrVG
Lösung:
Die Entscheidung ist unzulässig. Nach § 77 BetrVG muss der Betriebsrat zustimmen.